Was ergibt 3 Weihnachtsmänner plus 4 Osterhasen?

Was ergibt 3 Weihnachtsmänner plus 4 Osterhasen?

Jetzt scheine ich wohl komplett verrückt geworden zu sein, denken Sie vielleicht. Mag sein.
Was heißt schon verrückt? Egal, das möchte ich nicht weiter vertiefen.

Ich möchte in diesem Beitrag das Thema Paradoxien beleuchten und wie wir Menschen mit diesen umgehen. Ergebnisse dieser Gedankengänge möchte ich dann auf das Führen von Unternehmen reflektieren.

#leanmagazin
am 12. 09. 2016 in LeanMagazin von Conny Dethloff


Um Sie schon einmal ein bisschen auf die Folter zu spannen, formuliere ich folgende These:

Wer an die Kennzahl Umsatz glaubt, sollte auch die im Titel dieses Artikels gestellte Aufgabe lösen können.

Was ist eigentlich ein Paradoxon?

Ein Paradoxon ist ein scheinbar oder tatsächlich unauflösbarer Widerspruch.

In der Definition wird von Widerspruch geschrieben. Aber Widerspruch zwischen was? Das möchte ich einmal näher durchleuchten.

Aus meiner Sicht geht es hier um den Widerspruch zwischen dem was wir aus der Umwelt wahrnehmen und dem wie wir darüber denken und reflektieren. Wenn es also einen Widerspruch zwischen diesen beiden Dingen gibt, stehen uns mehrere Möglichkeiten des Auflösens dieses Widerspruchs parat.

  1. Das was wir von der Umwelt wahrnehmen ist „falsch“ und wir denken „richtig“ darüber.
  2. Das was wir von der Umwelt wahrnehmen ist „richtig“ und wir denken „falsch“ darüber.

Die anderen beiden Möglichkeiten, dass nämlich Beides richtig oder Beides falsch sein kann, ergeben Übereinstimmungen, so dass wir nicht auf ein Widerspruch stoßen. Ich habe an dieser Stelle die Wörter „richtig“ und „falsch“ nicht ohne Grund in Anführungszeichen gesetzt. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die absolute Wahrheit abzielen und die beiden Wörter entsprechend verstanden wissen. Mir geht es an dieser Stelle einzig und allein um das Aufdecken der Unterschiede, unbenommen eines Wahrheitsanspruches der Wahrnehmung oder des Denkens.

Denn die Frage bleibt offen, ob wir das „richtig“ und „falsch“ überhaupt bewerten können. Ich sage hier nein, was ich aber in diesem Beitrag nicht weiter durch deklinieren möchte.

Das bedeutet eben auch, dass bzgl. der beiden betroffenen Einteilungen nicht objektiv darüber geurteilt werden kann, ob entweder die Wahrnehmung oder das Denken richtig oder falsch ist. Beide Prozesse bedingen nämlich einander. Wie gesagt, es geht mir rein über den empfundenen Unterschied der Ergebnisse beider Prozesse.

Des Weiteren ist mir auch bewusst, dass „falsch“ mehreren Werten zugeordnet werden kann und nicht genau einem. Wenn eine Person mich mit dem Namen „Anton“ und eine andere Person mit dem Namen „Alfred“ anredet ist Beides falsch. Auf diese Unterscheidung möchte ich aber ebenfalls verzichten, da sie für eine Herleitung von Erkenntnissen für das Führen von Unternehmen uninteressant ist. Ich mache also eine bewusste Trivialisierung.

Wie gehen wir Menschen mit Paradoxien um?

Hier möchte ich auf die beiden oben gezeichneten Unterscheidungen zurückgreifen. In der Regel werden Unterschiede der ersten Kategorie nicht als Paradoxon bezeichnet. Den Widerspruch lösen wir hier ganz einfach auf, in dem wir unserem Wahrnehmungsapparat einige Fehler zugestehen. Im Netz gibt es eine Reihe hervorragender Beispiele dazu.
Wir sprechen hier oft von optischen Täuschungen. Unser Gehirn überlistet uns. Das lassen wir einfach so stehen und fühlen uns nicht in unserer Ehre gekränkt. Was können wir denn dafür wenn wir physiologisch eben genauso ausgestattet wurden? Diese Kategorie fällt also nicht unter ein Paradoxon. Wir leben mit dem Widerspruch und gut.

Was ist aber mit der zweiten Kategorie? Hier wird es heikel, denn zuzugestehen, dass wir im Denkprozess einen Fehler machen, geht uns eben nicht so leicht ab. Denn wir nehmen viel eher an, dass die Basis unserer Denkprozesse etwas ist, was wir Menschen erschaffen haben (Axiome, Regeln etc.) Hier können wir die Verantwortung also nicht so leicht abstreifen. Diese Kategorie ordnen wir den Paradoxien zu und versuchen diesen Widerspruch zu lösen.

Das möchte ich an einem Beispiel näher ausführen, da es uns näher an Erkenntnisse für das Führen von Unternehmen bringt. Es geht um das Paradoxon Achilles und die Schildkröte. Ich zitiere aus dieser Quelle.

Als Paradoxon von Achilles und der Schildkröte wird einer von mehreren bekannten Trugschlüssen bezeichnet, die dem antiken griechischen Philosophen Zenon von Elea zugeschrieben werden. Darin wird versucht zu belegen, dass ein schneller Läufer wie Achilles bei einem Wettrennen eine Schildkröte niemals einholen könne, wenn er ihr einen Vorsprung gewähre.

Der Gang des Arguments ist folgender: Bevor Achilles die Schildkröte überholen kann, muss er zuerst ihren Vorsprung einholen. In der Zeit, die er dafür benötigt, hat die Schildkröte aber einen neuen, wenn auch kleineren Vorsprung gewonnen, den Achilles ebenfalls erst einholen muss. Ist ihm auch das gelungen, hat die Schildkröte wiederum einen – noch kleineren – Wegvorsprung gewonnen, und so weiter. Der Vorsprung, den die Schildkröte hat, werde zwar immer kleiner, bleibe aber dennoch immer ein Vorsprung, sodass sich der schnellere Läufer der Schildkröte zwar immer weiter nähert, sie aber niemals einholen und somit auch nicht überholen könne.

Natürlich ist uns allen bewusst, dass Achilles die Schildkröte nach einer gewissen Zeit stets einholt, ganz egal wie groß der Vorsprung der Schildkröte auch sein mag. Das lässt sich empirisch immer belegen. Wie kommt es aber, dass die mathematisch-logischen Erklärungen Zenons, wie oben im Zitat angeführt, mit unseren Wahrnehmungen nicht vereinbar ist? Denn laut der mathematisch-logischen Erklärungen würde Achilles die Schildkröte niemals einholen.

Beide Sichtweisen stehen an dieser Stelle unvereinbar gegenüber, auch wenn uns das die vielen Auflösungsversuche dieses Paradoxons anders glaubhaft machen wollen. In jedem Auflösungsversuch wird aber die empirisch-physikalisch Sichtweise, nämlich durch Einführen der Geschwindigkeit, einfach der mathematisch-logischen Sichtweise übergestülpt, ohne zu merken, dass hier ein logischer Denkfehler geschieht. Warum ist das so?

Durch Einführen der Geschwindigkeit, als Verhältnis von zurückgelegtem Weg und der dafür benötigten Zeit, wird ein Kategorienfehler begangen. Jedes Kind spätestens ab der ersten Klasse in der Schule weiß, dass man nur Dinge mit gleichen Eigenschaften miteinander addieren oder voneinander subtrahieren kann. Würde ich meinem Sohn, der ab diesem Schuljahr in der 4. Klasse lernt, die Aufgabe stellen: „Was ergibt 3 Weihnachtsmänner plus 4 Osterhasen“, würde er mich wahrscheinlich sehr schmal angucken oder mich auslachen. Logisch. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen die Aufgabe stelle: „Addieren Sie bitte 10 Meter und 20 Sekunden.“ Lachen Sie dann auch? Wahrscheinlich. Aber wieso bitteschön lachen wir denn nicht auch bei der Aufgabe „10 Meter durch 20 Sekunden“? Hier rechnen wir einfach drauf los und geben dem Ergebnis einfach eine neue Maßeinheit, nämlich Geschwindigkeit.

Aus der Schule wissen wir aber auch, dass sich Division bzw. Multiplikation zweier Zahlen stets auf den Prozess einer Addition bzw. den Prozess einer Subtraktion zurückführen lässt. Also wenn wir Meter und Sekunden ins Verhältnis setzen, dann sollten wir auch Meter und Sekunden miteinander addieren oder subtrahieren. Verwerfen wir das Zweite, was wir ja tun, sollten wir auch das Erste verwerfen.

Richtigerweise sollten wir an dieser Stelle bei unseren Denkprozessen ansetzen, die auf die zweiwertige Logik von Aristoteles aufgebaut sind. Unser Denken ist monothematisch. In dieser Denkweise herrscht das „Entweder-Oder“ vor. Entweder etwas ist gut oder böse. Entweder etwas ist schön oder hässlich. Ein Drittes kann es rein logisch nicht geben. Dementsprechend können wir logisch nicht mit Qualitäten, sondern nur mit Quantitäten umgehen.

Dabei werden aber eben genau diese Kategorienfehler immer wieder vorgenommen, die oben beschrieben wurden. Dinge unterschiedlicher Eigenschaften – beim Pradoxon – Beispiel Weg und Zeit – werden einfach und trivial vereinheitlicht. Trivial sage ich deshalb, da auf die Qualitäten keine Rücksicht genommen wird.

Wer also mit der physikalischen Größe „Geschwindigkeit“ umgeht, sollte sich Gedanken machen, wie das Ergebnis der Aufgabe 3 Weihnachtsmänner plus 4 Osterhasen ausschaut und welche Einheit wir dem Ergebnis geben.
Wer das nicht möchte, der sollte sich über eine Erweiterung der Logik von einer monothematischen zu einer polythematischen Gedanken machen, wie es Gotthard Günther mit dem Einführen der Polykontexturalität getan hat. Auf diesem Trip bin ich seit geraumer Zeit unterwegs.

Welche Auswirkungen hat das für das Führen von Unternehmen?

Ganz kurz gesagt. Ein Überdenken der Kennzahlen und KPIs (Key Performance Indicators). Denn auch beim Berechnen der Kennzahlen werden häufig Kategorienfehler gemacht. Denken Sie nur an die Kennzahl „Umsatz“.
Hat man den zweiten Teil dieses Posts verinnerlicht, ist einem klar dass man nicht einfach Menge und Preis multiplizieren kann. Wer trotz allem an die Kennzahl Umsatz denkt und damit arbeitet, sollte mir gerne erklären, warum er bei der Aufgabe „Menge + Preis“ meint, dass man diese Aufgabe nicht lösen könne.

Wie hat eine meiner Weggefährtinnen auf meiner Reise des Verstehens vor geraumer Zeit zu mir gesagt?

„Conny, weißt Du was, Kennzahlen machen die Menschen krank.“

Recht hat sie. Weil wir mit den Kennzahlen die Menschen trivialisieren. Wollen wir das weiterhin tun?

Ein konsequentes Weiterdenken in Richtung einer menschlichen Wirtschaft, weg vom “Höher-Schneller-Weiter”, macht auch ein Überdenken der Kennzahlen unumgänglich. Nur mit einer Weiterführung der Zahlen in Richtung von qualitativen Zahlen und der dazugehörigen Arithmetik, wie oben bereits angedeutet, lassen sich Qualitäten ohne Begehen von Kategorienfehlern darstellen. Nur davon sind wir derzeit noch sehr weit entfernt, obwohl Gotthard Günther hier bereits sehr viel Vorarbeit geleistet hat.



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