Controlling von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen: Die Wirtschaftlichkeit sichern.

Controlling von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen: Die Wirtschaftlichkeit sichern.

Der Fachkräftemangel ist mittlerweile zu einem existenzbedrohenden Faktor für Unternehmen geworden. Und die Prognose für den künftigen Mangel an Arbeitskräften sieht nicht wirklich rosig aus. Dennoch wäre es falsch, jetzt in ungebremsten Aktivismus zu verfallen. Auch bei Mitarbeiterbindungsmaßnahmen ist auf Wirtschaftlichkeit zu achten. Genau hier, bei der Wirtschaftlichkeit, setzt das Controlling von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen an. Dieser Artikel nennt Kennziffern und Tools, die sich in der Praxis bewährt haben.

am 07. 03. 2024 von Gunther Wolf


Das Controlling von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen umfasst zwei Zielrichtungen: Das zeitlich rückwärtsgerichtete Feedback-Controlling umgesetzter Maßnahmen versteht sich als Soll-Ist-Vergleich im Hinblick auf die getätigten Investitionen und die hiermit erzielten Effekte.

Das zukunftsgerichtete Feed-Forward-Controlling hingegen zielt darauf ab, dass möglichst nur die kostengünstigsten und zugleich erfolgversprechendsten Mitarbeiterbindungsmaßnahmen in die Umsetzung gebracht werden.

Für beide Zielrichtungen benötigen Controller und Entscheider aussagekräftige Kennziffern und Tools. 

Feedforward-Controlling: Kosten-Nutzen-Prognose geplanter Mitarbeiterbindungsmaßnahmen

Wenn mehrere denkbare Maßnahmen zur Stärkung der Mitarbeiterbindung auf dem Tisch liegen, benötigen Entscheider ein Tool, mit dem sie die Alternativen ex ante im Hinblick auf ihre Kosten-Nutzen-Relation vergleichen können.

Die Kosten von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen sind üblicherweise recht leicht zu ermitteln - aber wie ermittelt man den Nutzen einer Mitarbeiterbindungsmaßnahme?

Bei der Entwicklung des vorliegenden Instruments für das Feed-Forward-Controlling der Mitarbeiterbindungsaktivitäten spielten die Theorie der Motivation und die bekannte Bedürfnishierarchie von Abraham H. Maslow eine bedeutende Rolle sowie das Modell von Frederick Herzberg. Die beiden humanistischen Psychologen treffen eine Unterscheidung im Hinblick auf den Wert der Bedürfnisse. Diese Unterscheidung ist für Mitarbeiterbindungsmaßnahmen relevant, weil mit diesen Maßnahmen die Erwartungen bzw. Bedürfnisse der Mitarbeiter erfüllt werden können.

  1. Defizitbedürfnisse (Maslow) bzw. Hygienefaktoren (Herzberg)
  2. Wachstumsbedürfnisse (Maslow) bzw. Motivatoren (Herzberg)

Nach Maslow und Herzberg gilt: Die Defizitbedürfnisse bzw. Hygienefaktoren müssen weitgehend erfüllt sein, damit die Wachstumsbedürfnisse bzw. Motivatoren überhaupt eine Wirkung entfalten können.

Mit diesem Denkmodell wird uns ein Muster an die Hand gegeben, mit denen wir den Nutzen von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen abschätzen können. Hierzu fokussieren wir die Prognose auf zwei Wirkrichtungen:

  1. Erwartetes Ausmaß der Negativ-Wirkung einer Mitarbeiterbindungsmaßnahme, deren Ausprägung die Erwartungen der Mitarbeiter unterschreitet (Defizit). Das unzureichend saturierte Bedürfnis drängt nach Befriedigung, notfalls bei einem anderen Arbeitgeber und stellt somit bspw. einen fluktuationsförderlichen Faktor dar.
  2. Prognostiziertes Ausmaß des positiven Effekts einer Mitarbeiterbindungsmaßnahme, deren Ausprägung die Erwartungen übertrifft (Motivator). Die Befriedigung dieses Bedürfnisses schafft Zufriedenheit oder sogar Begeisterung aufseiten der Mitarbeiter und bietet somit bspw. einen Anreiz, im Unternehmen zu verbleiben.

Ein Beispiel macht deutlich, wie man auf dieser Basis die Abschätzung des Nutzens einer Mitarbeiterbindungsmaßnahme vorgehen kann. Wir verwenden dafür eine Skala von 1 (niedrige Auswirkung) bis 10 (hohe Auswirkung).

Beispiel: Mitarbeiterbindungsmaßnahme "Gleitzeitsystem einführen"
Von einem Gleitzeitsystem erwarte ich, dass es sich sehr negativ auf die Verbleibsneigung auswirkt, falls es nicht vorhanden ist – oder nicht entsprechend den Bedürfnissen und berechtigten Erwartungen der Belegschaft. Die fehlende Gleitzeitregelung würde dann als fluktuationsförderlicher Faktor wirken. Ich bewerte es mit dem Wert 7 auf der Skala von 1 bis 10. Ich nehme weiterhin an, dass das Gleitzeitsystem, sofern es erwartungsgemäß oder die Erwartungen übertreffend umgesetzt wird, allerdings auch nur in geringem Maße (Wert 2) als Verbleibsanreiz wirksam werden könnte. Meine Bewertung lautet also:

  1. als fluktuationsförderlicher Faktor, wenn nicht vorhanden: 7
  2. als Verbleibsanreiz, falls vorhanden: 2

Mitarbeiterbindungsmaßnahmen zahlen jedoch nicht nur auf die Senkung der Fluktuation bzw. Steigerung der Verbleibsneigung ein. Wir wissen (PEA-System): Wenn der Grad der Mitarbeiterbindung hoch ist, ist zudem eine hohe Motivation und entsprechende Performance zu erwarten. Zudem kann jede Mitarbeiterbindungsmaßnahme getreu dem Motto "Tue Gutes und rede darüber" auch für das Gewinnen von Personal eingesetzt werden. Diese beiden Effekte sollten bei der Nutzenabschätzung von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen nicht vergessen werden. Also ergänze ich meine Bewertung der Mitarbeiterbindungsmaßnahme "Gleitzeitsystem einführen" im Hinblick auf die Wirkrichtung "Performance":

  1. als performancehemmender Faktor, wenn nicht vorhanden: 2
  2. als performanceförderlicher Faktor bzw. Leistungsanreiz, falls vorhanden: 2

Und im Hinblick auf die Wirkrichtung "Personalgewinnung":

  1. als Bewerber abschreckender Faktor, wenn nicht vorhanden: 5
  2. als Attraktivitätsfaktor bzw. Eintrittsanreiz, falls vorhanden: 3

Vielleicht hast du meinen Bewertungen zugestimmt, vielleicht siehst du es aber auch ganz anders. Das ist völlig normal und liegt an den individuellen Unterschieden bezüglich der Bedürfnisse und Erwartungen, die Mitarbeitende an ihren Arbeitgeber richten.

Eine vorgefertigte Tabelle, aus der ersichtlich ist, mit welchem Nutzen-Wert die einzelnen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen zu bewerten sind, kann es folglich nicht geben. Zu veränderlich ist die Einschätzung der Maßnahmen, zu sehr schwankt die jeweilige Höhe der Erwartungen aus Sicht der Empfänger im Zeitverlauf, zu groß sind die Differenzen zwischen den Unternehmen, zu entscheidend sind selbst die Unterschiede zwischen Mitarbeitern der einzelnen Funktionsbereiche eines Betriebs. Unternehmen kommen nicht umhin, stets selbst eine aktuelle und zielgruppenspezifische Bewertung der ins Auge gefassten Mitarbeiterbindungsmaßnahmen vornehmen. 

Die drei Effekte von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen werden übrigens auch in dem PEA-System angewendet. PEA steht für Personalerhalt, Erfolg des Unternehmens und Arbeitgeberattraktivität. Die drei Nutzenwerte können für die nun folgende Kosten-Nutzen-Analyse unterschiedlich gewichtet werden. Die jeweilige Gewichtung wird bei der Gesamtnutzenberechnung auf die jeweils erzielten Punkte als Faktor angewendet. Nun können Mitarbeiterbindungsmaßnahmen ex ante miteinander verglichen werden. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ist von den zur Wahl stehenden Maßnahmen diejenigen zu bevorzugen, die die besten Kosten-Nutzen-Relationen (= niedrigste Kosten pro Nutzen-Punkt) bieten.

Eine Vorlage für die Bewertung und Kosten-Nutzen-Analyse von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen kannst du dir bei Interesse hier downloaden: Kosten-Nutzen-Analyse von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen. Probiere es einmal selbst aus, beispielsweise für die Mitarbeiterbindungsmaßnahme, eine Ganztagsbetreuung für Mitarbeiterkinder von 1 bis 16 Jahren anzubieten.

Feedback-Controlling: Rendite getätigter Mitarbeiterbindungsinvestitionen

Der Schwerpunkt des Feedback-Controllings liegt auf dem Soll-Ist-Vergleich im Hinblick auf die getätigten Investitionen und die hiermit erzielten Effekte. Wer eine Ex-post-Kennziffer für das rentabilitätsorientierte Mitarbeiterbindungscontrolling benötigt, nutzt den ROERI: Return on Employee Retention Investment. Diese Renditekennziffer bezieht sich stets auf einen bestimmten Zeitraum, üblicherweise ein Geschäftsjahr. Zur Ermittlung des ROERI werden die durch Mitarbeiterbindung erzielten Erlössteigerungen und Kostensenkungen ins Verhältnis zu den hierfür getätigten Investitionen gesetzt.

Anstrengungen, die ein Arbeitgeber unternimmt, um sein Personal zu binden, wirken sich enorm positiv auf dessen Umsatzerlöse aus. Obendrein trägt ein hoher Grad der Mitarbeiterbindung zur Kostenreduzierung bei. Der Zähler des ROERI-Quotienten gibt den Ertrag in Euro und Cent wieder und zeigt den Wertschöpfungsbeitrag dieser personalwirtschaftlichen Aktivitäten auf.

Definition: Return on Employee Retention Investment (ROERI)
"Der Return on Employee Retention Investment (ROERI) zeigt den finanziellen Erfolg der zur Stärkung der Mitarbeiterbindung getätigten Investitionen für eine bestimmte Periode an."

Der ROERI fokussiert auf diese Weise die für die Mitarbeiterbindung verantwortlichen Akteure im Unternehmen darauf, dass die für das Binden der Mitarbeitenden eingesetzten Ressourcen keinesfalls zu Kostensteigerungen, sondern zu Gewinnsteigerungen führen müssen. In manchen Unternehmen steht die Personalabteilung unter dem Generalverdacht, vorwiegend Kosten zu produzieren. Diese Kennziffer unterstützt den Stellenwert des Human Resource Managements enorm. Schon aus diesem Grunde stellt ROERI eine für Personalmanager unverzichtbare Kennzahl für das Mitarbeiterbindungscontrolling dar.



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