Die Geschäftsjahresplanung 2019: Ein bisschen leaner, bitte …

Die Geschäftsjahresplanung 2019: Ein bisschen leaner, bitte …

Es ist wieder passiert. Jahresplanungsexzesse, durch die für Wochen die halbe Firma in Lähmung verfällt, wurden aufwändig initiiert. Doch in digitalen Zeiten ist der Wandel Dauerzustand. Mit klassischen Planungstools kommt man deshalb nicht weit. OKRs wären ein adäquaterer Weg.

#leanmagazin
am 06. 12. 2018 in LeanMagazin von Anne M. Schüller


Jeden Hebst fallen klassische Unternehmen in eine Art Starre, Budgetierungsphase genannt. Für das Tagesgeschäft wird die Zeit knapp, vieles bleibt einfach liegen. In langatmigen Planungsrunden werden stattdessen die Zielvorgaben für das Folgejahr erstellt und auf Quartale, Monate, Bereiche, Teams und Einzelpersonen heruntergebrochen. All das wird von hehrem Wunschdenken geleitet – und von zermürbendem Schachern begleitet.

Auf solche Ratespiele, Wetten auf die Zukunft genannt, wird im Anschluss eine Punktlandung gefordert – ein Unfug, der irre viel kostet, irre viel Zeit verschlingt und in heutigen Tagen absolut untauglich ist. Die Ära, in der man die Vergangenheit linear fortschreiben konnte, ist lange vorbei. Egal! Mit dem neuesten Smartphone in der Hand steuern die Manager ihre Unternehmen über Methoden, die aus dem tiefsten letzten Jahrhundert stammen.

Doch in digitalen Zeiten ist permanenter Wandel die Norm. Unwahrscheinliche Ereignisse lauern an jeder Ecke. Wir wissen nicht, ob sie kommen oder wann sie kommen, aber wenn sie kommen, dann kommen sie schnell. Dafür braucht es eine dynamische Taktik, flexible Ziele und ergebnisoffene Prozesse, um je nach Notwendigkeit rasch zu justieren. Schnell, adaptiv und agil muss das Management heute agieren. Mit Jahresplanungen kommt man dabei nicht weit.

Die klassische Geschäftsjahresplanung ist Nonsens

Es ist genauso unmöglich wie vergeblich, das Unvorhersehbare kontrollieren zu wollen. Die Zukunft folgt keinem Plan. Nach den ersten Tagen eines neuen Geschäftsjahres ist das bereits deutlich zu sehen. Doch statt die Pläne zu ändern, damit sie zur Realität passen, wird die Wirklichkeit so verändert, dass sie zu den Plänen passt. Letztere wurden ja schließlich vereinbart!

So wird nicht nach tatsächlichen Chancen gesucht, sondern nach Kniffen, um Volltreffer auf die Zielzahlen hinzubekommen. Das Zuwenig wird künstlich aufgefüllt. Das Zuviel wird sinnlos verprasst. Fortlaufende Kontrollen, eine aufgeblähte Zielerreichungsbürokratie und arbeitsintensive Reportings, die niemand liest, werden aufgesetzt. All das behindert die eigentliche Arbeit erheblich.

Beim Mitarbeiterjahresgespräch ist dann Generalabrechnung: Minutiöse Planabweichungsanalysen, entwürdigende Rechtfertigungstiraden und die Suche nach Sündenböcken sind dabei Usus. Das gesamte Prozedere fixiert Unternehmen in einer defizitorientierten Rückschau und blockiert sie für die Herausforderungen der Zukunft. Die größten Chancen liegen meist nämlich jenseits des Plans.

Die klassische Geschäftsjahresplanung ist gefährlich

Jahresziele werden üblicherweise vertikal heruntergebrochen, jedoch nur äußerst selten horizontal mit den Zielen der Kollegen, anderer Teams und Nachbarabteilungen koordiniert. Oft konkurrieren sie sogar miteinander. Was dann passiert, ist wohl klar: Man arbeitet gegeneinander. Der Feind sitzt nicht länger beim Wettbewerb, sondern im eigenen Haus. Niemand hat ja ausschließlich die Unternehmensinteressen im Kopf. Jeder verfolgt zugleich eigene Ziele.

Zweckbündnisse entstehen. Verschlagenheit macht sich breit. Selbst das Überschreiten ethischer Grenzen wird toleriert „damit die Zahlen stimmen“. CEOs, die ihren Konzern in den Keller reiten, um sich selbst ein Denkmal zu setzen, sind nicht einmal selten. Und solange die Ziele ausschließlich numerisch sind, ist Menschlichkeit in der Unternehmenskultur auf verlorenem Posten.

Sind Ziele und Pläne rein effizienzgetrieben, von Oben verordnet und nur pro forma mit den Mitarbeitern abgestimmt, dann fehlt zudem die innere Anteilnahme, das Herzblut, die Leidenschaft für eine Sache. Im Abarbeitungsmodus wird das, was zu tun ist, „at target, on budget, in time“ erledigt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Man erfüllt nur so eben sein Soll.

Quer denken? Muster brechen? In einem Umfeld, das Konformismus belohnt? Wer Anerkennung, Boni und Karriereperspektiven dafür erhält, dass er vorgezeichneten Vorgaben akribisch folgt, wird sich niemals an Neues wagen. Einzelziele, Planungskorsetts und Kennzahlenkult sind eine geradezu toxische Umgebung für dringend benötigte Innovationen.

Die klassische Geschäftsjahresplanung ist extrem teuer

Bevor die Planung 2019 endgültig verabschiedet wird, wäre folgende Frage geradezu existenziell: Was entgeht uns an Innovationen, an Umsatz und Mitarbeitermotivation, während wir selbstbeschäftigt in der Welt fixer Zahlen versinken? Wieviel Zeit und Geld wird damit verplempert und welcher Return on Investment wird hierdurch erzielt? Wenn man also die Computer rechnen lässt, dann doch bitte auch einmal dies:

  • Die Transaktionskosten: Wie viele Stunden von wie vielen Menschen mal deren Bruttostundensatz benötigen wir für Gespräche, Meetings, Abstimmungsmaßnahmen, Reporting-Aktivitäten, Soll-Ist-Vergleiche, also die komplette Planungs- und Zielerreichungsadministration? Addieren Sie einen adäquaten Betrag für einbrechendes Engagement, für Minderleistungen und reduzierte Produktivität infolge von Frustration und internen Querelen hinzu.
  • Die Opportunitätskosten: Alle mit der Jahresplanung und -kontrolle zusammenhängenden Stunden und Beträge sind beziffert? Ermessen Sie dann, wieviel zusätzlicher Umsatz erzielt werden könnte, würden sich die Mitarbeiter stattdessen in dieser Zeit und mit diesem Geld um Kundeninteressen kümmern. Addieren Sie den Wert der Innovationen hinzu, die nicht in die Umsetzung gehen, weil alle an die Erfüllung festgelegter Vorgaben gebunden sind.

Die in Summe ermittelte Zahl ist oft genug höher als der gesamte geplante Gewinn. So stellt sich die Frage, ob es einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt. Die Antwort ist ja.

Wenn nicht so, wie denn dann? OKRs als Alternative

OKR steht für Objectives & Key Results. Von Andy Grove, dem Mitbegründer des Halbleiterherstellers Intel entwickelt, unterstützen OKRs gemeinsame Ziele, gemeinsame Wege und den gemeinsamen Erfolg. OKR ist kein formal strenger Prozess, sondern ein Rahmenwerk, das sich je nach Kontext situativ einsetzen lässt.

Im Gegensatz zu den üblichen zunehmend schnell überholten einjährigen Zielsetzungs- und Planungsperioden werden OKRs auf einen Nahbereich von ein bis drei Monaten festgelegt. Agil und flexibel passt man sich so den jeweiligen Umständen an und erzeugt in Zeiten des Wandels eine hochdynamische Vorwärtsbewegung.

  • Die Objectives geben eine inspirierende Stoßrichtung vor. Dies ist wichtig, denn wer ankommen will, muss wissen, wohin die Reise geht. Gerade selbstorganisierte Teams brauchen Orientierungspunkte, denen sie folgen können.
  • Die Key Results sorgen für Fokus. Sie fassen die anvisierten Schlüsselresultate konkret in Zahlen. Dabei sollte jedes Objective mehr oder wenig drei messbare Ergebnisse haben, die gemeinsam im Team erarbeitet werden.

OKRs und ihr Fortschritt werden auf einem Statusboard transparent dokumentiert und so für alle sichtbar gemacht. Sie bleiben in der kompletten Eigenverantwortung des jeweiligen Teams. Sie werden also nicht von oben vorgegeben und die Ergebnisse werden auch nicht von oben kontrolliert. OKRs sind zudem nicht gehaltsrelevant und sie werden nicht incentiviert. So treiben OKRs mit deutlich weniger Aufwand und deutlich mehr Effizienz die Zukunftsfitness eines Unternehmens voran.



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