„Was bedeutet eigentlich Remanufacturing, Christian Schulz?“

„Was bedeutet eigentlich Remanufacturing, Christian Schulz?“

Die NeoLog GmbH aus Landshut ist Anbieterin individueller Lösungen für Produktionseinrichtungen und Logistikausstattungen, Expertin für Lean-Manufacturing – und ein sehr gern gesehener Gast beim jährlichen LeanAroundTheClock.

Kürzlich fiel mir ein LinkedIn-Post von NeoLog auf, in dem von „neologischer Nachhaltigkeit“ und „Remanufacturing“ die Rede war und ich fragte mich, ob dies etwas mit Lean und Nachhaltigkeit zu tun haben könnte.

#LeanGreen #GreenIndustry


Daher hakte ich beim Geschäftsführer, Christian Schulz, nach. Daraus entstanden ist ein schönes Interview mit kleinen und großen Stellschrauben zu den Themen Wiederverwertung, Remanufacturing, Kreislaufwirtschaft – und einem neuen Qualitätsmerkmal für„gebraucht“.

Daniela Röcker: „Christian, was passiert üblicherweise mit Ausstattungskomponenten wie z.B. Rohrklemmsystemen, die kundenindividuell eingesetzt werden, wenn sie dort nicht mehr gebraucht werden? Gibt es dafür bereits einen Recyclingkreislauf?“

Christian Schulz: „Im Grundgedanken kann eine Anwendung aus Rohrklemmsystem jederzeit angepasst, umgebaut oder zu einer gänzlich anderen Anwendung umgebaut werden. Aktuell wissen wir, dass dies aber in den wenigsten Fällen bei Anwendern genutzt wird. Mit Ausnahme einzelner Projekte werden die Anwendungen nach Gebrauch verschrottet und durch neue ersetzt. Grundsätzlich ist das Material als Altmetall recyclebar.“

Daniela Röcker: „Wenn der/die Anwender:in die Möglichkeit zur Anpassung oder zum Umbau nur sehr wenig nutzt, woran liegt dies Deiner Meinung nach?“

Christian Schulz: „Meistens liegt es tatsächlich am Aufwand und Wissenstand bei den Anwendern. Immer weniger Unternehmen wollen sich technische Abteilungen zur Wartung und Instandhaltung leisten und somit gibt es auch niemanden, der KnowHow und Wissen hat, um neue Lösungen aus dem Material zu planen und zu bauen. Zusätzlich gibt es das Thema der Lagerhaltung und technischen Bewertung der Bauteile vor der erneuten Nutzung. Ein Kunde hat mir auf Nachfrage erzählt, dass es für ihn günstiger ist neue Anwendungen zu kaufen als umzubauen.“

Daniela Röcker: „Das sind natürlich Punkte, die nicht so schnell zu ändern sind – Weiterbildung wie auch das Preisargument sind immer auch Ressourcenthemen, allerdings hängen diese auch mit einer künftigen Ausrichtung hin zu mehr Nachhaltigkeit zusammen, die vom Gesetzgeber gewünscht ist und forciert wird. Meines Erachtens gibt es hier keine Alternative, als sich jetzt und heute damit auseinander zu setzen. Wie siehst Du das?“

Christian Schulz: „Das sehe ich genauso. Die Marschrichtung im Bereich Nachhaltigkeit, Mehrfachnutzung und Recycling, ist klar. Wo es vor ein paar Jahren ausreichend war, dem Produkt das Siegel ‚recyclingfähig‘ zu verpassen, da wird das Augenmerk in der Zukunft auf ‚Wiederverwendung‘ liegen und nur noch im zweiten Schritt auf Rohstoffrückgewinnung. Da wir von dieser Entwicklung überzeugt sind, wollen wir das unseren Kunden frühzeitig anbieten können.“

Daniela Röcker: „Die Längernutzung von Produkten ist unter Nachhaltigkeitsaspekten immer eine gute Sache. Remanufacturing, also das Wiederaufbereiten, folgt dieser Logik. Könnte dieser Prozess mit Euren Rohrklemmsystemen unendlich wiederholt werden oder gibt es wie beim Recycling eine Anzahl an Wiederholungsstufen und am Ende bleibt ein Rest, der nicht mehr recycelt bzw. nicht mehr remanufactured werden kann? Falls ja, könnte dieser Rest anderweitig genutzt werden?“

Christian Schulz: „Um diese Frage zu beantworten, muss man ein Rohr-Klemmsystem in seinen Bestandteilen betrachten. Das NeoLog Rohr-Klemmsystem, wie alle anderen Systeme auch, bestehen im Hauptteil aus 3 Kategorien:

  1. Das Rohr
    Hier handelt sich um ein, am Anfang 4m langes Stahlrohr mit einer Kunststoffbeschichtung aussen. Das Stahlrohr an sich ist das langlebigste Teil des Systems, bei der Kunststoffbeschichtung kommt es auf den Anbieter an. NeoLog bietet hier mit einer hochwertigen Beschichtung mit 5 Jahre Garantie gegen Ablösen die beste Basis für mehrfache Nutzung. Durch eine vollflächige Verklebung der Beschichtung kann es, im Gegensatz zu anderen Produkten auf dem Markt, nicht zur Ablösung der Beschichtung während der Nutzung kommen. Das NeoLog Rohr kann, solange es gemäß Lastangaben eingesetzt wurde, annährend unendlich oft wieder verwendet werden.

  2. Der Verbinder
    Die Verbinder halten durch Klemmwirkung zwei oder mehr Rohre zusammen und sind quasi die „Eckpfeiler“ einer Anwendung aus Rohr-Klemmsystem. Solange die Verbinder ordnungsgemäß verbaut wurden und die Anwendung gemäß der Traglastangaben genutzt wurde, können Verbinder auch mehrfach genutzt werden. Aus unserer Sicht ist der Lebenszyklus aber auf 10 bis 15 Nutzungen beschränkt.

  3. Die Schrauben
    Schrauben sind das Teil mit der höchsten Belastung und der größten Krafteinwirkung bei der Montage. Deshalb empfehlen wir diese bei jeder Montage zu ersetzen.            

Generell kann man sagen, theoretisch können in Bezug auf Materialmenge ca. 80% des eingesetzten Rohrstoffes fast unendlich oft wiederverwendet werden.

Für alle Kategorien gilt: Dank der Materialeigenschaften von Stahl (z.B. Biegeflexibilität) kann der Zustand der Bauteile größtenteils per Sichtprüfung zuverlässig erfasst werden. Im Gegensatz dazu ist das z.B. bei Alu-Druckguss-Bauteilen nicht so einfach möglich.“

Daniela Röcker: „Für das Remanufacturing müsste eine Logistik-Kette geschaffen werden, damit die Produkte auch zu Euch zurückgelangen, die wiederum Emissionen verursacht. Ist das CO2-Einsparpotential beim Remanufacturing hoch genug, so dass es diese Emissionen mehr als kompensieren könnte? Vielleicht sogar, dass am Ende ein klimapositives Produkt entstehen könnte?“

Christian Schulz: „Diesen Aspekt haben wir noch nicht abschließend geprüft und berechnet, aber da die Neuware per Container aus Asien kommt, gehen wir davon aus, dass wir hier auf jeden Fall eine Einsparung erzielen. Wir haben zu diesem Bereich verschiedene Ideen im Kopf, wie das Remanufacturing auch von Gütern mit relativ geringem Wert am Ende auch wirtschaftlich organisiert werden kann. Ob es am Ende ein klimapositives Produkt wird, dass ist noch offen. Sicher ist aber, dass unser Stahlsystem heute schon einen deutlich besseren CO2-Fußabdruck hat als regional hergestellte Alu-Systeme.“

Daniela Röcker: „Wären Kooperationen mit anderen Rohrklemmsystem-Herstellern denkbar, um ein gemeinsames Remanufacturing-System aufzubauen?“

Christian Schulz: „Theoretisch wäre es durchaus möglich und für uns als NeoLog auch denkbar. Aktuell kommt es aber selten vor, dass Kunden das System im laufenden Betrieb mischen. Es wird bei einem Anbieter gekauft und im Zweifel komplett zu einem anderen Anbieter gewechselt. Erschwerend kommt für uns hinzu, dass die Qualität des NeoLog Systems deutlich höher ist als einige Wettbewerbssysteme.“

Daniela Röcker: "Was müsste sich außer dem Thema Qualität in Bezug auf den Kreislaufgedanken ändern? Ich denke hier an eine Sensibilisierung auf Kundenseite – fehlt es evtl. auch an einer besseren Kommunikation auf allen Seiten?"

Christian Schulz: „Die Sichtweise auf neu und gebraucht muss sich ändern. Heute ist „Neu“ für vielen ein subjektives Qualitätsmerkmal. Wenn wir es schaffen die Sichtweise der Nutzer (und hier nicht nur in unserem Bereich, sondern generell) zu ändern und refurbished, gebraucht, generalüberholt o.ä. auch als Qualitätsmerkmal im Sinne der Umwelt etablieren können, dann wächst auch die Bereitschaft den Kreislaufgedanken zu leben.“

Daniela Röcker: „Spannender und guter Punkt – in meinem privaten Umfeld nehme ich dies mitunter bei der jüngeren Generation schon wahr: Gebraucht oder refurbished – gerade bei elektronischen Geräten – sorgt dort für ‚credibility‘ und wird sogar als eine Art Statussymbol wertgeschätzt. Diese Haltung darf sich gerne im Wirtschafts- und Unternehmenskontext weiterverbreiten. Wenn Du Dir einen perfekten Materialkreislauf Eurer Produkte vorstellst – wie sähe der aus und gibt es gesetzliche Hindernisse oder Vorschriften, die geändert werden müssten?“

Christian Schulz: „Es gibt aktuell keine Vorschriften, die geändert werden müssten. Der perfekte Kreislauf wäre einfach nur die Bereitschaft der Kunden, Waren zurückzugeben bzw. uns die Rückholung zu ermöglichen. In Kombination mit der Bereitschaft, Lösungen aus generalüberholten Teilen zu kaufen, könnten wir hier einen großen Schritt in die Nachhaltigkeit machen.“

Daniela Röcker: „Wie schafft ihr es, Eure Mitarbeiter:innen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und zu motivieren?“

Christian Schulz: „Wir, als Geschäftsführer leben das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen in verschiedenen Bereichen vor. Im Vertrieb achten wir verstärkt auf optimierte Tourenplanung, nutzen MSTeams immer mehr als Medium zur Reduzierung von Vor-Ort-Besuchen. In unserer Montage achten wir schon immer drauf, dass möglichst wenig Abfall beim Zuschnitt entsteht. Reste werden für interne Anwendungen vom Montagetisch bis zum Schreibtisch genutzt. Das gesamte Unternehmen wird Schritt für Schritt papierlos. Das sind Maßnahmen, die unsere Kolleginnen und Kollegen sehen und somit für das Thema Nachhaltigkeit motiviert werden.“

Daniela Röcker: „Herzlichen Dank, Christian, für die spannenden Einblicke und Deine Zeit!“

Du hast Lust, Dich über Remanufacturing, Kreislaufwirtschaft und Wiederverwertung mit anderen auszutauschen? Dann ist die #LeanGreen eine gute Gelegenheit, Gleichgesinnte kennenzulernen: https://leanbase.de/green



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